Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke zur Radikalisierung der Protestkultur in Zeiten von Bauernprotesten, Bahnstreik und Letzter Generation. Wie das mit Seehofer und Merkel zusammenhängt und warum es wieder Kompromissbereitschaft braucht.

  • Quittenbrot@feddit.deOP
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    9 months ago

    Ich teile deine Einschätzung in weiten Teilen, aber hier würde ich gerne einhaken:

    Leider gibt es eine Kultur, die den Kompromiss um des Kompromisses Willen als ein Gut an sich feiert und nicht mehr zulassen will, dass es auch Situationen gibt, in denen es keine Kompromisse geben darf.

    Wir leben in einem System, das qua Architektur immer in irgendeiner Weise den Ausgleich der Interessen, den Kompromiss sucht. Am Ende finde ich das ganz gut so, auch wenn ich dadurch meine persönliche Vorstellung nie voll durchsetzen werde.

    Was sich bei den Schwurblern im Großen, aber zb auch hier bei uns im Kleinen zeigt, und was ich wirklich bedenklich finde, ist diese zunehmende Fragmentierung der Bevölkerung in sich mehr oder weniger unversöhnlich gegenüberstehende Lager.

    Die Typen wollen sich ja nicht nur nicht impfen lassen, sondern verabschieden sich direkt in eine quasi losgelöste Parallelgesellschaft. Du sagst: die Medien zeigen keine klare Kante und multiplizieren einfach deren Aussagen. Die sagen: die miese Systempresse setzt das Meinungsdiktat durch. Oder, um hier bei uns vor der eigenen Haustür zu bleiben: je nach politischer Einstellung sind jeweils alle Linken, SPDler, Unionler, FDPler oder die Grüüünen verachtenswerte Geschöpfe, denen man nur das schlimmste wünscht. Es ist fast so als hätte die AfD es indirekt geschafft, auch den Umgang der normalen Parteien untereinander zu vergiften.

    Ich finde, das schwingt für mich auch in diesem Interview mit und ich halte den Punkt für relativ wichtig für unsere Zukunft: wir werden und sollen uns immer streiten, da wir unterschiedliche Meinungen haben, aber wir müssen das wieder im Rahmen eines gemeinsamen Fundaments machen. Das Gegenüber ist kein Todfeind, sondern denkt nur anders als ich.